WIR 68 - April 2022

RMC Mittelbaden e.V. Nr. 68 gefunden von Wolfgang Karius mit Genehmigung des Badischen Tagblattes Baden-Baden Fotos: Vera Ritter Häkelriff zur Rettung der maritimen Umwelt urch alle Räume im Baden-Badener Museum Frieder Burda, sogar im Fahrstuhlschacht, wuchern die Handarbeiten zur Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“ der australischen Zwillingsschwestern Margaret und Christine Wertheim. Zur gehäkelten Unterwasserlandschaft ist das Haus in gedimmtes Licht getaucht. Die in Los Angeles lebenden Schwestern wollen mit diesem Kunstprojekt auf die Bedrohung prachtvoller maritimer Ökosysteme hinweisen. Klimawandel und Plastikmüll setzen den Meeresfiltrierern zu. „Dieses Projekt hat einen Vorlauf von über 20 Jahren – und der Entstehungsprozess, der aus ganz individuellen Beiträgen aufgebauten Häkelriffe ist, vergleichbar mit den komplexen Strukturen eines echten gewachsenen Korallenriffs“, sagte Margaret Wertheim am Freitag in Baden-Baden. „Wie die vielen kleinen Polypen und Algen, die in ihrem symbiotischen Zusammenspiel, an den Riffs arbeiten, so hätten die Handarbeiterinnen diese gehäkelten Gebilde erst ermöglicht, fügte Christine Wertheim hinzu. „Ein Traum ist wahr geworden“, meinten die Künstlerinnen, niemals hätten sie sich vorstellen können, dass so viele daran mitwirken würden. Was ist in der Ausstellung zu sehen? Eine schillernd bunte Korallenlandschaft aus gehäkelten Riffen. Das Museum hat unter Aquarien in den Ausstellungssälen verteilt. Im Erdgeschoss entfalten ihre frühen wolle- nen Strom der Rüschen, Tentakeln, Polypen, maritimen Blumentieren verliert sich das Betrachterauge. Hübsch, wuchernd, spielerisch, auch ein bißchen gespenstisch, sind die Handarbeiten aus schwarzen Plastikfäden und biestig ausgestreckten Fühlern aus Kabelbindern. Wann sind die ersten gehäkelten Riffs entstanden? Die Künstlerinnen (Jahrgang 1958) haben 2005 mit ihrem Umwelt-Konzept begonnen. Schon damals haben sie sich Unterstützung geholt, weltweit wurde mitgehäkelt an sogenannten Satellitenriffen, auch in China wurde das Häkeln für die Kunst verordnet. Fürs neu geschaffene „Baden-Baden Satellite Reef“ ist seit dem Aufruf im vergangenen Sommer ein Meer aus über 40.000 bunten Wollrüschen eingegangen, gehäkelt von über 4.000 Handarbeiterinnen aus ganz Deutschland, die im Obergeschoss des Museums zu großen Koralleninseln zusammengestellt sind. Ist das Kunst oder Handarbeit? Die kunstvoll geschaffenen Riffe aus Abertausenden Wollminiaturen sind mehr als Dekoration. Sie ergeben ein kooperatives Installationswerk. Wie die politisch engagierte Kunst der 1970er Jahre wirkt auch die scheinbar einfache Häkelkunst wie eine Soziale Plastik mit gesellschaftsverändernder Kraft, an der jeder mitmachen kann. Nicht nur die Disziplin und die Dimension des ungewöhnlichen gestalterischen Schaffens sind bemerkenswert. Entstanden sind auch dreidimensionale, gehäkelte Modelle, die zwischen Skulptur und geologischen Formen changieren. D Wert und Wandel der Korallen 16

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